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Visions (issue 61)

Nach einer etwas längeren Anlaufzeit hat man es also endlich auch hierzulande geschafft: Die Plazierung im Bizarre-Billing am Samstag spricht für sich, Bush sind jetzt auch in Deutschland groß. Wen kümmert es da noch, daß man dafür zunächst Amerika erobern mußte? Robin Goodridge kümmert heute eh’ nicht viel, schließlich ist er ziemlich besoffen….

Nicht, daß es mir viel besser ergehen würde, schließlich haben wir einen langen Tag hinter uns. Der Auftritt von Bush liegt noch keine halbe Stunde zurück. Schlagzeuger Goodridge hängt gerade backstage bei einem gepflegten Bier mit den Marilyn Manson-Spießgesellen ab, als ihm die freudige Nachricht überbracht wird, daß er dazu auserkoren wurde, mit mir ein Interview zu führen. Natürlich ist bei ihm die Begeisterung darüber riesig, und so schnappen wir uns ein paar Getränke und ziehen uns in den Bush-Band-Bus zurück. Nachdem 1997 bislang für die Band aus Tour-Aktivitäten dies- und jenseits des Atlantiks bestand, bietet sich jetzt Gelegenheit zur Bestandsaufnahme. Da „Razorblade Suitcase” nun schon eine ganze Weile erhältlich ist, dürfte wohl kaum jemand an Bush vorbeigekommen sein. Die Vermarktung des ersten Albums „Sixteen Stone” lief in Europa nicht nach dem Geschmack der Band, doch nach einem Wechsel der Plattenfirma gibt sich Robin jetzt versöhnt: „Wir wissen nie so genau, wie erfolgreich wir hier sind, dafür fehlt uns der Überblick. Offensichtlich ist aber, daß diese Festivalauftritte äußerst gut verlaufen. Wir haben die Möglichkeit, direkt vor Bands wie Metallica und Aerosmith zu spielen, was mir nach einer wirklich guten Chance aussieht, Leute zu erreichen. Dazwischen spielen wir Clubgigs, die gut ausgebucht sind, und die Reaktionen der Leute sind allesamt erfreulich. Es gibt momentan also nicht viel, über das man sich sorgen könnte. Wir hatten in Deutschland zunächst einige Probleme, weil es hier anscheinend keine Möglichkeit gibt, Radio-Airplay für Rockbands zu bekommen, aber mittlerweile läuft es trotzdem.”

Ende November werden sie ihr Live-Soll schließlich erfüllt haben. Gibt es schon Pläne für die Arbeit am nächsten Album? „Wir fangen langsam damit an, uns Gedanken darüber zu machen, mit wem wir arbeiten wollen und wo es lang gehen soll, aber wir werden diesbezüglich nichts überstürzen. Die letzten beiden Alben folgten sehr dicht aufeinander. Für die Nummer drei werden wir uns die nötige Zeit nehmen, um sehr konzentriert zu Werke gehen zu können.” Inwieweit liegt denn schon neues Material vor? Steuert man bestimmte Neuerungen an? Robin wiegelt ab: „Wir haben eine Handvoll Ideen und denken über eine neue Studiostrategie nach. Mit Steve Albini haben wir das Material ruckzuck auf Tape geknallt und waren nach vier Wochen mit der kompletten Platte durch. Der nächste Studioaufenthalt sollte uns ein wenig mehr Raum zum Ausfeilen der Songs lassen. Ansonsten haben wir der Band mittlerweile einen Sound gegeben, der für sie typisch ist und den man nicht so mir-nichts-dir-nichts über den Haufen werfen sollte, sonst bekommt man nämlich irgendwann eine Identitätskrise. Wir werden unseren Stil ausbauen und verfeinern, aber nicht komplett über den Haufen werfen.” Mit sieben Millionen verkauften Platten im Rücken scheint dafür ja auch kein großer Anlaß zu bestehen, es sei denn, so etwas Ominöses wie der innere künstlerische Drang nach Neuerung bewegt zur Innovation… Die ewigen Sticheleien der Kritiker über die Ausplünderung des Cobainschen Nachlasses lassen einen derart erfolgreichen Act selbstredend auch kalt, schließlich läuft sich auch so etwas irgendwann tot. „Keine der relevanten Grunge-Bands sind noch im Geschäft. Soundgarden haben sich aufgelöst, und Pearl Jam sind damit beschäftigt, so wenig wie möglich erfolgreich zu sein. Dieses Gezeter um Grunge ist schon längst nicht mehr aktuell. Alles, was wir machen, sind Songs. Das ist die größte Parallele zwischen un

Als ich anmerke, daß dieses Thema ungeheuer nerven muß, erwidert Goodridge trocken: „Life could be worse…” Sehr guter Punkt! Die Bush-Hasser erhielten vor kurzer Zeit unerwartet Schützenhilfe von einem weiteren prominenten Seattle-Einwohner. Dave Grohl präsentierte auf einem Konzert in England stolz ein ‘BU-T-Shirt, das also ein Logo der Band zierte, in dem das S durch ein Dollarzeichen ersetzt war. „Wir waren deswegen ziemlich angepißt”, erklärt Robin. „Das haben wir ihm bei nächster Gelegenheit auch gesagt. Er ist ziemlich neidisch auf unseren Erfolg. Kein Wunder, schließlich war er in einer sehr erfolgreichen Band, die es jetzt nicht mehr gibt. Seine eigene Band wird es nie so weit bringen wie Nirvana, was ihn wohl anstreßt. Als wir ihn auf diese Sache ansprachen, schien es ihm aber ziemlich unangenehm zu sein.” Die Reaktion der Band, sich dann selbst beim nächsten Konzert eben diese T-Shirts anzuziehen, ist natürlich ein relativ guter Schachzug gewesen. Die lieben Kollegen und ihre kleinen Spielchen… Doch auch aus den Reihen der eigenen Fans gab es Unangenehmes zu berichten. Frontmann Gavin Rossdale machte Bekanntschaft mit einer Flasche, die bei einem Konzert aus den vorderen Reihen direkt auf seine Nase geschleudert wurde. Immerhin konnte er noch einen weiteren Song singen, bevor der Kolben zugeschwollen war und sich seine Stimme schließlich wie die von Donald Duck anhörte. „Auf einem Festival kann man derartiges erwarten, weil dort immer die Möglichkeit besteht, daß Leute anwesend sind, die keinen Bock auf uns haben. Aber dieser Typ hat für unser Konzert zwanzig Dollar bezahlt und baut dann so einen Scheiß. Manchmal denke ich, die Leute machen so etwas, um einen Einfluß auf dein Leben zu nehmen, um eine persönliche Verbindung zu den Leuten auf der Bühne herzustellen. Daß so eine Art und Weise natürlich lächerlich ist, darüber brauchen wir nicht reden.” So gesehen also ein Kommunikationskrüppel auf der Suche nach ein wenig Aufmerksamkeit, in Wirklichkeit wahrscheinlich Dave Grohl in geheimer Mission…? Aber genug davon.

Die vertraute Runde aus Marilyn Manson-Musikern und Bush-Mitgliedern deutet darauf hin, daß die Engländer keine Probleme mit Klischees und dem Brimborium um eine Rockband haben. Lästermäuler würden anfügen, es bestehe auf eine gewisse Weise kein großer Unterschied zwischen dem aufgemotzten Image Marilyn Mansons und dem Gavin Rossdales. Wie aber denkt Robin Goodridge über Imagefragen einer Rockband und deren Anteil am Verkaufserfolg der Musik? „Musik hat sich schon immer über Image verkauft. Elvis hat sich mit seiner Tolle und seinen Anzügen ein Image verpaßt, Alice Cooper macht es immer noch. Seitdem die Seattle-Bands T-Shirts und Jeans getragen haben, um einen Gegenpol zu schaffen, ist selbst dies mit einem Image behaftet. Die Trends kommen und gehen, aber mach’ dir keine Gedanken. Wir werden wohl niemals hochhackige Schuhe und Lockenwickler tragen.” Damit ist die Musiklandschaft natürlich um eine echte Attraktion ärmer. Die stetigen Kleinkriege in der englischen Szene bleiben uns allerdings erhalten, was dann zu solchen Stilblüten führt, wie sie in unserem Blind Date der Mai-Ausgabe zu bestaunen sind. Blur kommentieren „Swallowed” mit den wenig liebreizenden Kommentaren: „Denen sollte man die Eier abschneiden!” und, wahrscheinlich als Rechtfertigung für eine derartige Aktion: „Wichser sind das.” Na, wenn das nicht gemein ist! Grund genug, einmal nachzufragen, wie denn Robin über Neid und Mißgunst in englischen Musikerkreisen denkt: „Vieles davon wird von der Presse inszeniert”, erzählt er. „Ich habe mit den Jungs von Blur gesprochen, und sie meinten, daß vieles von dem, was sie über uns gesagt haben sollen, erfunden sei. Wir haben das aus der Welt geräumt.